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Schule – Qual der Wahl oder wie viele Gabelungen hat dieser Weg?


Im späten Kindergartenalter stellt sich für viele Eltern die schwierige Frage, in welche Schule sie ihr Kind einschulen sollen. Kann es mit den Gleichaltrigen in der Regelschule mithalten? Sollte man es ein Jahr zurückstellen, damit es in der Entwicklung weiter aufholen kann? Vielleicht genügt etwas Nachhilfe, um die Regelschule zu schaffen? Oder ist doch Integration, ein Dehnungsjahr oder der Besuch einer Förderschule günstiger?


In der Bundesrepublik ist die sonderpädagogische Förderung ebenso wie alle schulischen Angelegenheiten in Länderhoheit. Die Kultusminister aller Bundesländer haben sich zur Kultusministerkonferenz zusammengeschlossen, welche aus den Erfahrungen der einzelnen Länder Empfehlungen erarbeitet. Die Länder können diese Empfehlungen dann in ihren Schulgesetzen und ergänzenden Verordnungen umsetzen, sie sind jedoch nicht daran gebunden, so dass es zahlreiche Unterschiede gibt.

 

Folgende Trends lassen sich aus den „Empfehlungen für die Sonderpädagogische Förderung“ von 1994 ablesen:

  • Gemeinsamer Schulanfang: Alle Kinder eines Jahrgangs sollen gemeinsam eingeschult werden, da die Förderung in der Schule meist besser möglich ist als vor der Schule. Das bedeutet, dass die Kinder nicht mehr zurückgestellt werden sollen. Bei unseren Kindern kann dies jedoch trotzdem angezeigt sein, da sie ihre verzögerte Entwicklung – besonders im Bereich der Sprache – bei entsprechender Förderung teilweise nochmals kompensieren. Eltern können sich z.B. mit einem Gutachten des Entwicklungspsychologen in ihrem SPZ oder Kinderarzt um eine Rückstellung bemühen.
  • Institutionsunabhängige Ermittlung des individuellen Förderbedarfs: Behinderte Kinder sollen nicht mehr einfach der entsprechenden Sonderschule zugewiesen werden, sondern es soll jeweils der individuelle sonderpädagogische Förderbedarf ermittelt werden. Auf dieser Grundlage kann dann entschieden werden, an welchem Ort und in welcher Form die Förderung erfolgen soll. Dabei kommen neben Förderschule und Integration im gemeinsamen Unterricht auch noch andere Varianten wie z.B. Aussenklassen in Frage.
  • Vorrang des gemeinsamen Unterrichts: Die Möglichkeiten der allgemeinen Schulen zur Förderung sollen ausgeschöpft werden, um eine bestmögliche Integration der behinderten Schüler in ihrem Umfeld sowie eine wohnortnahe Ausbildung zu erreichen. Dafür stehen in vielen Regionen neben der Integration auch kooperativer Unterricht sowie ambulante Kurse (z.B. Lesetraining mit Unterstützung durch Sonderpädagogen) und mobile Angebote der Förderzentren (z.B. Diagnose eines konkreten Lernproblems) außerhalb des regulären Unterrichts zur Auswahl.

Aufbauend auf den allgemeinen Empfehlungen hat die Kultusministerkonferenz konkrete Empfehlungen für folgende Förderschwerpunkte erlassen:

  • Sehen (Förderung von Sehschwachen und Blinden)
  • Hören (Förderung von Hörgeschädigten und Gehörlosen)
  • Körperliche und Motorische Entwicklung (Förderung von Körperbehinderten)
  • Emotionale und Soziale Entwicklung (Förderung von Verhaltensgestörten, Erziehungshilfe)
  • Geistige Entwicklung (Förderung von geistig und mehrfach Behinderten, Hilfe zur individuellen Lebensbewältigung)
  • Sprache
  • Lernen
  • Autisten
  • Kranke (Unterrichtung von langfristig kranken Kindern in der Klinik oder zu Hause)

Für unsere Kinder treffen meist vor allem die Schwerpunkte Sprache und Lernen zu.

 

Traditionell werden die Förderschwerpunkte in Förderschulen (in manchen Bundesländern auch noch Sonderschulen genannt) umgesetzt.

 

Allen Förderschulen gemeinsam sind kleine Klassenstärken (je nach Förderschwerpunkt 6 bis 15 Schüler), in denen darüber hinaus mehrere speziell ausgebildete Sonderpädagogen sowie bei Bedarf weitere pädagogische Mitarbeiter und Betreuer arbeiten. Je nach Schwerpunkt kommen verschiedene Hilfsmittel und spezielle Lehrmethoden zum Einsatz und werden besondere Kenntnisse vermittelt (Gebärdensprache für Gehörlose, Blindenschrift usw.). Weitere Vorteile der Förderschulen bestehen im Angebot notwendiger Therapien innerhalb der Schule, so dass zusätzliche Wege am Nachmittag entfallen, so haben z.B. Schulen für Körperbehinderte oft eigene Physiotherapeuten, ein eigenes Schwimmbad usw.

Für jeden Schüler wird entsprechend seiner Fähigkeiten sowie seiner besonderen Probleme ein individueller Förderplan in Abstimmung mit den Eltern erarbeitet.

 

Während Schüler mit körperlichen Beeinträchtigungen nach den gleichen Lehrplänen wie Regelschüler unterrichtet werden und auch die gleichen Abschlüsse erreichen können, gibt es für Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen oder Geistige Entwicklung eigene Lehrpläne und Abschlüsse.

Der Lehrplan der Lernförderschule ist den besonderen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler im Lernen angepasst, so werden Kulturtechniken beispielsweise handlungsorientiert vermittelt, ein Schwerpunkt wird auf die Vorbereitung auf ein selbständiges Leben gelegt. Zum Teil orientiert er sich am Lehrplan der Regelschule, ist jedoch z.B. im Bereich Fremdsprachen eingeschränkt.

  

In der Förderschule für Geistige Entwicklung liegt der Schwerpunkt auf lebenspraktischen Dingen, Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen werden nur in eingeschränktem Umfang so weit möglich unterrichtet. Dabei gilt auch hier immer eine lebenspraktische Orientierung, d.h. Mathematik soll den Umgang mit Zeitplanung bzw. Geld erleichtern u.ä. Die Förderschulen für Geistige Entwicklung sind Ganztagsschulen und nicht nach Klassen, sondern nach Stufen gegliedert: Unter-, Mittel-, Ober- und Werkstufe, welche jeweils drei Jahre dauern, woraus sich für diesen Schultyp eine Schulpflicht von 12 Jahren ergibt. In der Werkstufe wird gleichzeitig die Berufsschulpflicht erfüllt.

 

Förderschulen mit den Schwerpunkten Sprache und Verhalten sind als Durchgangsschulen konzipiert, eine Rückführung in die Regelschule spätestens nach Ende der Grundschulzeit hat hier oberste Priorität. In einigen Bundesländern können jedoch auch an diesen Schularten Abschlüsse in der Sekundarstufe erlangt werden.

 

Zur Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung gibt es manchmal auch so genannte Beobachtungsklassen / Diagnose-Förder-Klassen z.B. innerhalb eines Förderzentrums.

 

Außer staatlichen Schulen und kommunalen Trägern gibt es auch andere gemeinnützige, z. T. kirchliche Träger, welche mit entsprechenden besonderen Profilen und Angeboten arbeiten (z.B. religiöse Prägung des Alltags, Waldorfpädagogik, Montessori-Konzept usw.).

 

Eltern müssen bei der Schulsuche genau hinsehen und auch Mischformen beachten. So ist evt. die Lernförderklasse der Körperbehinderten-Schule besser geeignet als die Schule für Lernförderung (s. Erfahrungsbericht Familie Geckeler, KiDS-Info Heft 5). Sie müssen immer den gesamten Förderbedarf im Auge behalten und auch folgende Fragen stellen: Sind alle notwendigen Therapien im Hause möglich? Wie groß ist die Entfernung, gibt es einen Fahrdienst? Oder ein Internat? Hat die Schule ein Ganztagsangebot? Usw.

 

Darüber hinaus gibt es vielfältige Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern, z.B. ob der Schwerpunkt auf Integration liegt oder nicht, das Profil der regionalen und überregionalen Förderzentren, neue Schulkonzepte evaluiert werden, schulvorbereitende Einrichtungen usw. Informationen darüber erhalten Sie z.B. bei den zuständigen Kultusministerien oder auf den jeweiligen Landes-Bildungsservern.

 

Integration bzw. gemeinsamer Unterricht:

 

Viele Eltern wünschen sich die Integration ihres Kindes, damit dieses nicht ausgegrenzt wird, mit seinen Freunden zusammen in Wohnortnähe die Schule besuchen kann, vom Vorbild der anderen Kinder profitieren kann usw. Auch fürchten sie, dass ihr Kind auf der Förderschule vielleicht unterfordert wird und sich darum nicht optimal entwickelt.

Bei dieser schwierigen Entscheidung muss jedoch auch beachtet werden, dass sich das Selbstbewusstsein gerade bei Kindern mit Lernproblemen besser entwickelt, wenn sie an der Förderschule „unter sich“ sind und sich nicht ständig als „die Dummen“ erleben (s. auch Erfahrungsbericht Familie Bartels).

 

Integration ist bei Wunsch der Eltern zunehmend in allen Bundesländern möglich, allerdings teilweise noch mit Einschränkungen behaftet. Im Rahmen des sonderpädagogischen Förderbedarfs findet eine stundenweise Förderung durch Sonderpädagogen innerhalb oder nach dem regulären Unterricht, sowie evt. zusätzliche Begleitung durch Pflegekräfte oder pädagogische Mitarbeiter statt.

Bei umfangreicheren körperlichen Einschränkungen kann ein Integrationshelfer den Schüler bei den alltäglichen Dingen unterstützen.

 

Gute Erfahrungen mit der schulischen Integration gibt es bei verschiedenen Formen körperlicher Behinderung. Bei Problemen im Lernen, Verhalten oder der geistigen Entwicklung gestaltet sich der gemeinsame Unterricht eher schwierig. Das liegt vor allem daran, dass der Unterricht nicht „zielgleich“ ausgerichtet werden kann, d.h. die behinderten Schüler lernen zwar im gleichen Raum mit den anderen, beschäftigen sich aber mit völlig anderen Lerninhalten.

 

Bei festgestelltem Förderbedarf gelten die Festlegungen der entsprechenden Förderschulart zu Lehrplan und Schulabschluss, das bedeutet, ein Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen kann auch im gemeinsamen Unterricht nur den Abschluss der Förderschule erreichen.

 

 

Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfs

 

Die genaue Verfahrensweise ist in jedem Bundesland für sich geregelt, daher wird an dieser Stelle nur allgemein das Verfahren beschrieben.

Nach der Anmeldung des Kindes an der zuständigen Grundschule kann auf Antrag der Eltern oder der Schule ein Verfahren zur Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfes eingeleitet werden.

 

Aufgrund der in einem durch Sonderpädagogen erstellten Gutachten wird der sonderpädagogische Förderbedarf sowie eine Empfehlung zur Schulwahl ausgesprochen. Das staatliche Schulamt erlässt daraufhin nach Anhörung der Eltern einen bindenden Schulbescheid.

 

Entscheidend ist bei all dem nicht die Behinderung selbst, sondern der damit verbundene sonderpädagogische Förderbedarf. Dabei gibt es keine Verallgemeinerungen sondern jeweils eine Einzelfallentscheidung mit entsprechenden Spielräumen und Einflussmöglichkeiten.
In manchen Bundesländern gilt auch bereits der Grundsatz der elterlichen Wahlfreiheit. Das bedeutet der elterliche Wille für die Schulwahl ist für den Schulträger binden, zumindest in der Primarstufe.

 

Die „passende“ Schulwahl ist für den Lernerfolg eines Kindes ebenso wichtig wie das soziale Gefüge und die persönliche Motivation, die es daraus zieht. Die elterliche Entscheidung sollte daher immer vom Wohl des Kindes geleitet sein und nicht die persönlichen Wünsche der Eltern im Vordergrund stehen.